Вестник ТГПУ им Л.Н. Толстого №5 2008

№ 5, 2008 ВЕСТНИК ТГПУ им. Л. Н. Толстого trachten, wenn unabhangig von den reaien Bedarfslagen vor allem Kostensenkungen er- zielt v/erden sollen, das Budget gedeckelt und die Steuerungsverantwortung den freien Tra­ gem iibertragen wird (vgl. Wiesner 2002; Miinder 2001). Dann erscheinen auch die fachlich sinnvollen Ansatze zur Aktivierung von Ressourcen in Gemeinwesen und Famili- en in einem anderen Licht und stehen in der Gefahr, dass es sich hierbei um die kosten- giinstige Privatisierung gesellschaftlich be- dingter Problemlagen handelt. Die Erfolgsgeschichte der Reform der Hilfen zur Erziehung verlauft also keineswegs gradlinig, sondem fmdet vor dem Hintergmnd eines weitreichenden Umbaus sozialstaatli- cher Leistungen einerseits und fortschreiten- der gesellschafitlicher Exklusionsprozesse an- dererseits statt, die fur eine wachsende Zahl von jungen Menschen und Familien Hilfe zur Lebensbewaltigung erforderlich machen. Die sozialraumliche Weiterentwicklung der Hilfen zur Erziehung ist also nicht nur eine Konzept-, Methoden- oder Organisationsfrage, sondem zunachst eine sozialpolitische, um den Rah- men zu bestimmen, in dem Erziehung, Bil­ dung und Betreuung in offentlicher Verant- wortung gestaltet werden kann. ...und welche Rolle spielt die Stimme der Adressatlnnen? Die Gestaltung einer sozialraumlichen und bedarfsorientierten Infrastrukturentwick- lung ist zunachst eine professionelle und fachplanerische Aufgabe, die entsprechend der rechtlichen Vorgaben des KJHG unter aktiver Beteiligung der Adressatlnnen erfol- gen soil. Da es sich bei den Hilfen zur Erziehung um die Realisierung eines individuellen Rechtsanspruchs handelt, der nicht an konkre- te Merkmale von Personengruppen oder klas- sifizierbare Leistungsvoraussetzungen gebun- den ist, kann nur schwerlich vorhergesagt werden, wie sich hier Bedarfslagen und Hilfe- nachfragen entwickeln. Anders als bei sozial- staatlichen Geldleistungen gibt es bei perso- nenbezogenen sozialen Dienstleistungen keine unmittelbare Konditionierung zwischen Tat- bestand und Rechtsfolge. Vielmehr setzt hier das Hilfeplanungsverfahren (§ 36 SGB VIII) ein, das vor dem Hintergmnd einer professio- nell abgesicherten Problem- und Ressourcen- analyse unter Beteiligung der jungen Men­ schen und Eltem zu akzeptierten und zielorientierten Hilfesettings fuhren soil. Dar- aus ergibt sich die paradoxe Situation, dass einerseits ausreichend qualifizierte Angebote zur Absicherung individueller Rechtsansprii- che vorgehalten werden miissen, andererseits die Bedarfslagenentwicklung immer erst im Nachhinein als Ergebnis eines Aushandlungs- prozesses zwischen den Adressatlnnen und den Fachkraften deutlich wird. Da es sich um einen Aushandlungspro- zess handelt, ist die gewahrte Hilfe nicht gleichzusetzen mit der «Stimme der Adressa­ tlnnen». Im Hilfeplanungsprozess geht es nicht alleine darum, was aus der Perspektive aller Beteiligten fur wiinschenswert und opti­ mal gehalten wird, sondem was unter einer sachgerechten Abwagung als offentliche Leis- tung notwendig und geeignet scheint, um ein bestimmtes Interventionsziel zu erreichen. «Das gelingt nur, wenn in der Interaktion zwi­ schen Professionellen und Klient die Aner- kennung dieser Entscheidungs- und Hand- lungsautonomie des Klienten gesichert und durch standig mitlaufende Prozesse der refle- xiven Kontrolle und Selbstthematisiemng ein situationsgebundenes Einverstandnis iiber Sinn, Ziele und Art des professionellen Prob- lembearbeitungsprozesses hergestellt wird» (Oik 1986, S. 253). Die «Stimme der Adressatlnnen» kommt also dann zur Geltung, wenn Hilfeprozesse eingeleitet werden und nach den Regeln der Kunst im Hilfeplanungsprozess gearbeitet wird. Wie verschiedene Studien aufzeigen, gelingen Hilfeplanungsprozesse aus der Per­ spektive der Betroffenen vor allem dann, wenn zu den Fachkraften eine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut (vgl. Schefold 1998) und so dieses Verfahren mit Bedeutung verse- hen wird. Wir wissen aber nichts iiber die Zielgruppe, die keine Hilfe erhalten hat, weil Hilfen verweigert und die Durchsetzung von Rechtsanspriichen als «hoffnungsloser Kampf» erlebt wurde oder strukturelle Zu- gangsbarrieren zur sozialen Infrastruktur vor- lagen (z.B. bei Migrantlnnen). ...wie also die Stimme der Adressatln­ nen einbinden? Aufgmnd der rechtlichen und fachlichen Beschaffenheit der Hilfen zur Erziehung als personenbezogene soziale Dienstieistung kann deren Weiterentwicklung keinem technokrati-

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