Вестник ТГПУ им Л.Н. Толстого №5 2008
МЕЖДУНАРОДНОЕ СОТРУДНИЧЕСТВО № 5 , 2008 macht wird, aus dem sie sich ihre Identifikati- ons- und Imitationsmodelie heraussucnen konnen. Sie haben so die Moglichkeit, seiek- tiver bei der Auswahl vorzugehen und sich aus dem Angebot vieler Werte sine so- genannte «Patchworkidentitat» zusammenzu- stellen. Es wird jedoch fur die Kinder zuneh- mend schwieriger zu erken nen, an welche Modelle ihre Erfahrungen und Handlungsim- pulse gebunden sind und dass die Selektion aus einer geschlossenen Lebenswelt und die Bezugnahme darauf keineswegs durchgangig moglich ist. Fur die unterschiedlichen Le- bensbereiche (Schule, Vereine, Peergroup, Familie u.a.) sind zudem verschiedene Identi- taten erforderlich, die oft imWiderspruch zu- einander stehen. Damit stellt sich den Kindem die Frage nach Vorbildem. Fur die Entfaltung ihrer Personlichkeit und Entwicklung ihrer Geschlechterrollen suchen sie sich nicht nur Facetten, die sie zu sich in Beziehung setzen konnen, sondem auch kompiette personale Vorbilder, mit denen sie sich identifizieren wollen. Kinder orientieren sich dabei an auBe- ren Merkmalen (Aussehen, Outfit, Lebens- stil), aber auch an Eigenschaften, Verhalten und Handeln. Selbst zu entscheiden, mit wel- chen Werten und Vorbildem sie sich identifi zieren bzw. welche sie imitieren wollen, stellt sie unter einen Leistungsdruck, dem sie haufig nicht gewachsen sind und der sie iiberfordert. Waren die Vorbilder friiher insbesondere im familiaren Umfeld zu fmden, so fallt dies heu- te immer haufiger aus. An ihre Stelle treten Personen aus der Offentlichkeit, den Medien oder Phantasiefiguren. Hierbei werden viele Identifikationsfiguren von den Medien selbst produziert oder zu solchen gemacht (vgl. Wink/Lindner 2002, S. 19 f). So ersetzen kiinstliche Beziige immer mehr die nattirli- chen. «Kinder wachsen heute nicht nur mit Vater, Mutter sowie Geschwistem, nicht nur mit Lehrem und padagogischen Institutionen und in direkten Interaktionen aller Art auf (kommunikative Kompetenz), sondem ihr lebensweltlicher Alltag ist fundiert und zugleich iiberwolbt von unmittelbar handhabba- ren technischen Geraten, die ihrerseits wieder Produkte zum Teil weltweit agierender Infor- mationsorganisationen zur Verfugung stellen, und dies rund um die Uhr und mit immer wie der weniger Einschrankungen (Medienkompe- tenz). Medien aller Art sind also genauso ge- genwartig und ein zentraies Element im rrozess des Heranwachsens von jungen Men- schen, die gleichzeitig die Informati-ons-, Ex pansions- und die multifunkiionale Nutzung von Informationen als standige Veranderungs- und Erweiterungsprozesse erleben» (Baacke 1997, S. 58f). Eben darin sieht Neil Postman die Gefahr des Verschwindens der Kindheit. Die «Exklu- sivitat des Wissens» (Postman 1983, S.101) iiber den Lauf der Welt und damit einer der Hauptunterschiede zwischen Kindheit und Erwachsenenalter geht verloren, so Postman. «Diese Wirkung bemht auf einem Grundprin- zip sozialer Strukturen - eine soziale Gmppe wird zu einem erheblichen Teil durch die Ex- klusivitat des Wissens bestimmt, das ihren Mitgliedem gemeinsam ist» (ebd., S.lOOf). Die soziale Kategorie «Kindheit» wird durch die Bedingungen einer bestimmten Informati- onsumwelt gepragt. «Kinder sind eine Gmppe von Menschen, die von bestimmten Dingen, iiber die die Erwachsenen Bescheid wissen, keine Ahnung haben» (ebd., S.101). Wird den Kindem jedoch der Zugang zu der Informati- onsumwelt der Erwachsenen eroffnet, indem Tabuzonen, z. B. durch das Femsehen, entta- buisiert werden, so wird es fur die Kinder kei ne dunklen, ungreifbaren Geheimnisse mehr geben, die die Erwachsenen den Kindem zu- nachst vorenthalten und dann spater, wenn sie es fur notig, moglich und angebracht halten, offen legen, dann wird die Grenze zwischen Erwachsenen und Kindem auBerordentlich diinn (vgl. ebd., S. 97ff). Die Kinder werden durch das Eindringen in die Erwachsenenwelt zum einen oft iiberfordert, weil sie vieles noch nicht richtig verarbeiten konnen, vor allem jedoch wird ihnen die Faszination der Kin- derwelt genommen. Postman ist der Meinung, dass es so etwas wie Kindheit nicht mehr ge ben wird, wenn die Medien die Welt der Kin der und die der Erwachsenen verschmelzen lassen (vgl. ebd., S. 106f). Postmans These: Medien entzaubem die Geheimnisse der Er wachsenen und lassen damit Kindheit lassen damit Kindheit verschwinden, setzt Stefan Aufenanger seine These entgegen. «Neue Me dien schaffen fur Kinder Erlebnis- und Erfah- mngsraume, auf die heutige Erwachsene nicht zuriickgreifen konnen. Damit gewinnen Kin der Geheimnisse und Herrschaftswissen» (Aufenanger 2000). In seinem Buch «Net-
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